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Auch ein Schritt zurück kann Fortschritt sein.

 

„Nichts wird mehr so sein, wie es vorher war.“ Aus diesem Statement klingt ein Hauch von Wehmut. So, als müssten wir uns von Liebgewonnenem für immer verabschieden. Wir äußern es dann, wenn gravierende Dinge geschehen. Zäsuren - so, wie beim 11. September 2001. Es sollen nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden. Aber diesmal ist alles anders. Komplett anders. Diesmal sind wir die Betroffenen. Unmittelbar. Corona klopft an unsere eigene Haustür. Es lähmt unsere persönlichen Lebensadern. Alles wirkt surreal, wie in einem Science-Fiction-Film, unbegreifbar - sprichwörtlich sogar, denn man kann diesen Angriff nicht sehen, fühlen, schmecken oder riechen. Ähnlich wie beim Supergau Tschernobyl und Fukushima. Nur diesmal ist die ganze Welt erfasst - ausnahmslos. Eine stetig getriebene und auf Konsum getrimmte Welt ist plötzlich zum „Shut-down“ verurteilt. Eine Vollbremsung für unsere dynamischen Leistungsparameter: Immer höher, schneller, weiter und besser funktioniert nicht mehr. Die Auswirkungen sind längst nicht absehbar. Doch die Vorzeichen - sowohl gesundheitlich, wirtschaftlich und gesellschaftlich - lassen ahnen, dass Corona und seine Begleiterscheinungen bislang nie dagewesene Dimensionen annehmen werden. Das macht Sorge, Angst bis hin zur Panik.

 

 

Mag es wie ein naiver Hoffnungsschimmer klingen, aber die Zerreißprobe verbirgt auch Chancen für so manche Kurskorrekturen. Damit sind nicht nur die Erkenntnisse aus mangelnder logistischer Gesundheitsbevorratung gemeint. Das wird Aufgabe einer Manöverkritik im Krisenmanagement sein. Hier sind eher unsere menschlichen und zwischenmenschlichen Fähigkeiten im Fokus. Kurskorrekturen für den Kompass gemeinsamer Lebenswege, die uns Menschen miteinander enger vereinen. Mit Werten, die auf zwischenmenschliche Wertigkeiten beruhen und weniger auf Gewinnmaximierung, Aktien-Charts, Prestige und Luxusgehabe. Ist es tatsächlich korrekt, Lebensstandard mit Lebensqualität gleichzusetzen? Oder ist es eine Folgeerscheinung unserer konsumtiven Gesellschaft nach dem Leitmotiv: „Ich konsumiere, also bin ich.“ Darüber nachzudenken, was einem mehr nützt und guttut, ist legitim. Die Energie einer gelebten Achtsamkeit war noch nie so tankbar wie momentan.

 

 

Noch sinnstiftender wären soziale Aspekte, um anderen mit unserem Handeln zu nützen. Mal ehrlich. Hatte nicht jeder schon mal Überlegungen, dass wir an sich `die Welt im Häuschen` haben? Und mit einer Ahnung, dass nicht alles, was wir unseren Mitmenschen, unserer Natur und unseren Ressourcen antun, immer einen fairen, ausgewogenen Ansatz verfolgt? Von Nachhaltigkeit ganz zu schweigen. Was machen wir manchmal mit Systemen, die nicht mehr richtig rund laufen? Reset! Beim behutsamen Hochfahren sollten wir diesmal mehr wertschätzende Zutaten mit auf die Reise nehmen: Verzicht und Teilen, Toleranz und Respekt, Dankbarkeit und Demut, Gemeinsinn und Nachbarschaftshilfe.

 

 

Es mag der notwendige Wendepunkt sein. Sogar mit Perspektive. Die Grenzen des Wachstums werden uns schon längst vor Augen geführt. Sie weiter zu überschreiten, wird in eine Sackgasse führen. Den kleinen Schritt zurück sollten wir wagen. Jetzt und gemeinsam.

 

 

Peter Lengwenings

 

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